„Müll 2.0 – We‘re burning now“

Kinder- und Jugendtheater Tollhaus /// Nordrhein-Westfalen

Beteiligten: 30 Kinder und Jugendliche

Alter: 10 bis 25 Jahre

Projektdauer: 8 Monate, von Februar bis September 2019

Kooperationspartner*in: RSAG AöR, Studiobühne Siegburg

Das Kinder- und Jugendtheater Tollhaus versteht sich als Lebens- und Kulturbegleiter. Immer wieder fragt das Haus seine Teilnehmer*innen: „Was brennt euch unter den Nägeln? Was wollt ihr tun?“ Ende 2018 kamen daraufhin Antworten wie: „Wir fühlen uns einsam, trotz 700 Facebookfreunden. Wir sind ohnmächtig und wütend über die Verschmutzung der Natur, vor allem durch Plastik. Wir haben Angst davor, in welchem Zustand die Erde wohl sein wird, wenn wir erwachsen sind. Den riesigen Plastikteppich im Pazifik sollten wir nach Siegburg holen!“ Die Kursleiter*innen gaben diesen Ängsten und Sorgen, der Wut aber auch den Wünschen für die Zukunft Raum und Gehör.

Mit „Müll 2.0 – We’re burning now“ ist ein aufrüttelndes Open-Air Tanztheaterstück entstanden. Das Ensemble umfasste 20 Darsteller*innen aus dem Tollhaus und wurde unterstützt von 10 Schüler*innen des ersten Jahrgangs der Schauspielschule Siegburg. In 80 Minuten und 17 Szenen bringt es die Vermüllung der Weltmeere, den Klimawandel und das daraus resultierende Artensterben in Verbindung mit Smartphone-Besessenheit, Mediensucht, Konsum- und Raffgier. Vor einer acht Tonnen schweren und 21 Kubikmeter großen Pyramide aus Plastikmüll, mitten auf dem Siegburger Marktplatz, forderten junge Darsteller*innen mittels Tanz, Gesang und Schauspiel zum Umdenken auf. Von Februar bis Juni 2019 wurde gemeinsam recherchiert und diskutiert. Es wurden Kostüme und Requisiten gebastelt und es wurde intensiv geprobt. Angesicht der gesammelten Informationen zum Thema Müll wurde Vieles selbst gemacht, anstatt es neu zu kaufen. Für die Requisiten wurde sauberer Müll aus der gelben Tonne sowie über tausend Tetrapak-Verpackungen benötigt. Aus diesem Grund wurde die Öffentlichkeit aufgerufen, Plastikmüll und Tetrapacks zu sammeln.

Die Aufführungen fanden von Juni bis September 2019 statt und erreichten über 2.000 Zuschauer*innen. Auch überregional hatte das Stück Erfolg und wurde für den Deutschen Amateurtheaterpreis nominiert.

Für mich war dieses Projekt ein ganz besonderes, da es nicht nur jedem einzelnen von uns die Möglichkeit gab, sich zu aktuellen Themen auszudrücken, sondern auch sich selbst in dieser von uns kreierten symbolischen Welt zu finden und sowohl unseren Standpunkt also auch unser Selbst darin zu verorten und zu entwickeln.

Helena (19)

Begründung der Jury: 30 Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 25 Jahren des Kinder- und Jugendtheaters Tollhaus und der Schauspielschule Siegburg haben innerhalb von acht Monaten eine 80-minütige Performance für den Siegburger Marktplatz entwickelt. Vor einer acht Tonnen schweren und 21 Kubikmeter großen Pyramide aus Plastikmüll tanzen die jungen Teilnehmenden in 17 Szenen gegen die Vermüllung der Weltmeere, den Klimawandel und das Artensterben, gegen Mediensucht und Konsumgier an. Konsequent sind auch ihre Masken: Tiergesichter, selbst entworfen und gestaltet aus Verpackungsmüll. Die Siegburger Bürger*innen wurden zu „Müllspenden“ für die Bühne, die Requisiten und die Kostüme aufgerufen und konnten so den eigenen Abfall in der gigantischen Müllskulptur wiederfinden. Das Sammeln von eigenem Plastikmüll sensibilisierte die Teilnehmenden zudem für den Anteil, den jede*r Einzelne an den 5,2 Millionen Plastikabfall in Deutschland hat. Die Themenwahl, die Entwicklung der Szenen, Geschichten und Choreografien geht, wie auch die Gestaltung der Kostüme, der Requisiten und des Bühnenbildes, maßgeblich auf die Entscheidungen und Initiativen der Teilnehmenden zurück. Die Verortung der Proben auf einem auch nachmittags frequentierten Schulhof ermöglichte es zudem auch Kindern und Jugendlichen, am Entstehungsprozess von „Müll 2.0“ teilzuhaben, die nicht unmittelbar am Projekt beteiligt waren. „Müll 2.0 – We’re burning now“ überzeugt durch die Themenwahl und Übertragbarkeit in andere Kontexte, durch die große Authentizität, die intensive Auseinandersetzung sowie eine künstlerisch wie inhaltlich gleichermaßen überzeugende Präsentation im öffentlichen Raum. Ein verdienter erster Platz und – wer weiß – vielleicht auch eine inspirierende Idee für öffentlichkeitswirksame Fridays For Future-Agitprops unter Corona-Bedingungen. Exzellent!